Barrierefreiheit bedeutet allgemein: Jeder Mensch hat Zugang, obgleich er körperlich oder anderweitig eingeschränkt ist. Klassische Ausprägung von Barrierefreiheit im Alltag ist die Rollstuhlrampe. Im weiteren Sinne soll Barrierefreiheit aber nicht nur Behinderten, sondern auch älteren Menschen oder Familien mit Kleinkindern den Zugang ermöglichen. Im Internet bedeutet Barrierefreiheit im Grund nichts anderes. Es geht darum, den Zugang zu Webseiten für jeden zu ermöglichen, man spricht auch von Accessibility. Barrierefreiheit ist letztendlich ein Vorteil für alle, denn sie bedeutet eine möglichst einfache, intuitive Bedienung für jedermann.
Ab Accessibility Initiative
Im Jahre 1997 gründete das World Wide Web Konsortium (W3C) die Web Accessibility Initiative (WAI). Diese Initiative wurde gegründet, um die Anforderungen und Möglichkeiten von Barrierefreiheit für die Nutzung des Internets zu definieren und voranzutreiben. Die inhaltliche Architektur von Webseiten, grundsätzliches Layout und die verwendete Technik sind die relevanten Stellschrauben für die Barrierefreiheit. Die entstandenen Richtlinien gehören zur Basis der Webgestaltung.
Motorisch bedingte Barrieren
Ein physisches Defizit bedeutet motorische Einschränkungen, bedingt durch einen Schaden des Bewegungsapparates oder eine Krankheit. Auch Menschen, denen nicht der volle Bewegungsapparat zur Verfügung steht, sollten uneingeschränkten Zugang zum Internet haben. Wer aufgrund einer motorischen Einschränkungen kaum in der Lage ist, eine Maus zu benutzen, soll trotzdem auf einer Website navigieren können.
Wer zum Beispiel eine Armprothese trägt, kann unter Umständen nicht so präzise mit der Maus navigieren wie andere. Daher sollten alle wichtigen Schaltflächen und Bedienelemente nah beieinander sein und eine angemessene Größe haben. Aus diesem Grund ist der klickbare Bereich eines Links oft auch ein wenig größer als der Linktext selbst. Wer gar keine Maus nutzen kann, benötigt ebenfalls Zugang zum Internet.
Daher sollten Webseiten so aufgebaut sein, dass sie auch mit der Tastatur bedienbar sind. Das erfordert einige Anpassungen von Programmiererseite. Elemente müssen so eingerichtet sein, dass sie vom Browser erkannt werden, damit dieser die Tastaturbedienung umsetzen kann. Auch Java und ActiveX unterstützen mittlerweile die Tastatur als Ersatz für die Bedienung via Maus.
Die größten Schwierigkeiten haben motorisch eingeschränkte Menschen mit Formulare. Formulare sind nicht nur für die Angabe von Daten relevant, sondern manchmal auch zur Navigation, zum Beispiel für die Filterung von Suchergebnissen. Auswahllisten, Drop-Down-Menüs oder Radio-Buttons sind die klassischen Formularmerkmale. Die ausschließliche Bedienung via Tastatur ist bei Formularen schwer umzusetzen. Um die Nutzung von Formularen zu vereinfachen sind diese daher oftmals schon im Vorfeld so weit wie möglich ausgefüllt. So enthält das Feld für die Angabe der E-Mail-Adresse oftmals schon ein @-Zeichen, um dem Nutzer den gleichzeitigen Druck mehrerer Tasten zu ersparen. Dies wäre für Menschen mit Sehbehinderung allerdings ein Nachteil, weshalb die WAI empfiehlt, eine Check-Box anzubringen, mit der zwischen nacktem und vorausgefülltem Formular gewählt werden kann. Sehbehinderte benutzen oft einen Screen Reader. Damit dieser die Beschriftungen für Auswahlfelder richtig zuordnen kann, sollten diese nah beieinander liegen.
Visuell bedingte Barrieren
Visuelle Barrieren betreffen Barrieren, die durch die Darstellung von Website-Elementen zustande kommen. Auch für die Verminderung dieser Barrieren gibt es bestimmte Richtlinien. Gerade unter Männern ist die Rot-Grün-Schwäche sehr weit verbreitet. Menschen mit Rot-Grün-Schwäche können nur schwer zwischen diesen beiden Farben unterscheiden. Die wesentlichen Elemente einer Website sollten daher nicht in Rot oder Grün gestaltet sein. Um sicher zu gehen, dass die Darstellung einwandfrei ist, kann man die Bedienung von einem Menschen mit Rot-Grün-Schwäche testen lassen, oder die Website durch ein Simulations-Tool für eine Rot-Grün-Schwäche betrachten. Auch der Kontrast sollte weder zu stark noch zu schwach sein, um visuelle Barrieren möglichst gering zu halten.
Grafiken werden in der Regel mit einem ALT-Attribut versehen. Was viele nicht wissen: Dieses Attribut ist nicht nur wichtig, um den Bildinhalt zu beschreiben, falls der Browser das Bild nicht anzeigt. Dieses Attribut ist insbesondere für die Screen-Reader von Sehbehinderten relevant, die mithilfe dieses Attributs den Inhalt eines Bildes auslesen. Dieses Attribut wird im HTML-Code einer Grafik definiert, in der Regel bieten Content Management Systeme eine Möglichkeit das ALT-Attribut zu definieren.
Wenn die Grafik als Link fungiert, sollte der Alternativtext nicht nur den Inhalt der Grafik, sondern auch das Ziel des Links beschreiben. Lässt sich eine Grafik (z. B. ein Foto) nicht mit wenigen Worten zu beschreiben, kann auch ein Description-Link, bzw. ein Beschreibungslink eingefügt werden, die zu einer ausführlicheren Beschreibung des Bildes oder der Grafik führt. Diese kann dann wiederum mithilfe eines Screen Readers ausgelesen werden.
Mithilfe von Image Maps lassen sich Bilder in klickbare Bereiche aufteilen, deren Verlinkungen zu unterschiedlichen Zielen führen. Dies ist insbesondere in der Vergangenheit ein beliebtes Mittel zur Navigation gewesen, das leider nicht von allen Screen Readern erkannt werden kann. Insbesondere ältere Modelle haben Probleme mit Identifizierung von Image Maps. Auf vielen Webseiten gibt es daher die Möglichkeit einer ausschließlichen Text-Ansicht, die die unterschiedlichen Links in Textform auflistet.
Für die Verminderung visuell bedingter Barrieren ist allerdings nicht nur die Navigation, sondern insbesondere der Inhalt einer Website bzw. dessen Layout relevant. Dabei geht es im Wesentlichen um die Kompatibilität mit dem Screen Reader. Werden Tabellen eingesetzt, ist ein logischer Aufbau der Zellen mit ihren entsprechenden Inhalten entscheidend. Der Screen Reader kann immer nur einzelne Zellen auslesen. Insofern sollte der Inhalt auch nachvollziehbar sein, wenn man nur Zelle für Zelle lesen kann. Zudem muss die Breite einer Tabelle zur Bildschirmauflösung des Nutzers passen. Aufgrund der Anforderungen an Responsive Designs verlieren Tabellen mit fixer Breite im Internet zunehmend an Bedeutung.
Über lange Zeit hinweg war es üblich, Leerräume auf Webseiten durch transparente Grafiken zu realisieren. Diese kann der Screen Reader allerdings nicht angemessen auslesen, daher sollte das ALT-Attribut einer solchen Grafik auf ihren bloßen Sinn als Platzhalter hinweisen. Im besten Falle wird gänzlich auf solche Grafiken verzichtet, Leerräume lassen sich auch mittels Formatierung erzeugen.
Was die Formatierung von Webseiten angeht, können Textteilen bestimmte Attribute zugeordnet werden. So werden Überschriften in Abstufungen mit dem Heading Tag versehen. H1 steht für die erste Überschrift, H2 für eine Unterüberschrift, H3 für die nächste Ebene, usw. Für die Ansicht würde es reichen, eine Überschrift optisch vom Rest abzugrenzen. Größere Schriftart, Fettungen, etc. sind die Möglichkeiten der Formatierung. Das Attribut für Überschriften ermöglicht dem Screen Reader allerdings die Unterteilung der Seite. Ohne diese Attribute wird die Information „Überschrift“ nicht erkannt. Zudem ist das Heading-Tag auch für Suchmaschinen relevant. Das Layout einer Website sollte mit möglichst wenigen Frames auskommen, da ein Screen Reader immer nur den Inhalt eines Frames auslesen kann. Bei mehreren Frames bekommen Blinde und Sehbehinderte Probleme die Seite übersichtlich zu erfassen. Falls man doch nicht mit einem Frame auskommt, sollten die Frames zumindest mit aussagekräftigen Titeln versehen werden, die Blinden und Sehbehinderten direkt vermitteln, ob es sich zum Beispiel um einen Menü-Frame oder einen Navigations-Frame handelt.
Weitere Einschränkungen
Es gibt nicht nur motorisch und visuell bedingte Barrieren, auch Menschen mit Hörproblemen könnten unter Umständen Probleme haben, sich im Internet vollkommen frei zu bewegen und informieren – bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist das erst Recht der Fall. Aus diesem Grund stellt die WAI auch Richtlinien bereit, die über die Verminderung von motorisch und visuell bedingte Barrieren hinausgehen.
Wann immer Audio-Inhalte auf einer Website bereitgestellt werden, sollten diese auch in schriftlicher Form vorhanden sein, so die Empfehlung des WAI. Nur so wird hörgeschädigten Menschen der volle Zugang zu diesen Informationen gewährt. Ist der Aufwand dafür zu groß, sollte der Audio-Inhalt zumindest schriftlich zusammengefasst oder beschrieben werden.
Die Sprachsteuerung des iPhones namens Siri ist das bekannteste Beispiel dafür, dass Sprache zur Bedienung von technischen Geräten und damit auch zur Bedienung des Internets zunehmend relevant wird. Dennoch muss darauf geachtet werden, dass die Spracheingabe die Texteingabe nicht gänzlich ersetzt, damit die Inhalte auch für hörgeschädigte Menschen und Gehörlose zugänglich bleiben. Diese Richtlinie wird erst noch an Relevanz gewinnen. Kognitive Barrieren werden in den Richtlinien der WAI außen vor gelassen.
Dennoch sollten Webmaster und Webdesigner nach einem möglichst intuitiven Seitenaufbau streben, der auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen die Bedienung ermöglicht. Ist die Navigation unlogisch und kompliziert, haben nicht nur Menschen mit kognitiven Einschränkungen Probleme. In einem solchen Fall verlassen auch Menschen ohne kognitive Einschränkungen die Website, weil die Usability zu schlecht ist.
Ein logischer und übersichtlicher Aufbau ist also unabdingbar. Navigation und Menü sollten an einer Stelle platziert sein, an die die Nutzer gewöhnt sind. Bei Links sollte sofort ersichtlich sein, wohin diese führen. Diese Dinge sind auch wichtig, um älteren Menschen, die noch nie zuvor einen Computer bedient haben, die Navigation durch das Internet zu erleichtern. Ganz abgesehen von der Barrierefreiheit für Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten der Bedienung, gibt es auch noch technische Barrieren, die unter Umständen Zugang zu einer Website verwehren. So muss eine Website kompatibel mit allen gängigen Browsermodellen sein. Webmaster und Webdesigner sind immer dazu aufgefordert, die Seite mit mehreren Browsern auf volle Funktionalität zu testen.
Zusätzlich können durch bestimmte Programmiersprachen wie JavaScript oder durch Flash Sicherheitsbeschränkungen ausgelöst werden. Programmiersprachen, die potenzielle Sicherheitslücken im System darstellen, werden von einigen Nutzern bewusst unterbunden. Oftmals sind diese Elemente auch in Firmennetzwerken oder in Schulen gesperrt, um eine mögliche Infizierung des gesamten Systems auszuschließen. Es ist daher empfehlenswert, so gut es geht auf diese Programmiersprachen und Skripte zu verzichten.