Pokemon Go Hype

Pokémon Go-Hype hin oder her: Diese Marketing-Erkenntnisse bleiben

Barbara Kawa
| 11.10.2016

Letze Woche schrieb eine meiner Facebook-Freundinnen „Ich lese hier gar nichts mehr über Pokémon Go. Spielt das keiner mehr?“. Während in den Kommentaren darauf jemand böse vermutete, die meisten Spieler seien wohl inzwischen vor ein Auto gelaufen, ist die Antwort eigentlich eine andere: Doch. Das spielen immer noch sehr, sehr viele.

Der Unterschied zu den Anfangstagen der App ist, dass jetzt einfach nicht mehr so viel darüber gepostet und geschrieben wird. Zumindest nicht für alle sichtbar. Unsere Timelines und auch die Medienartikel sind nicht mehr übersät von Neuigkeiten rund um die App. Vielmehr tauschen sich erfahrene Spieler jetzt in direkter Kommunikation aus – in Foren, persönlich oder per youtube-Tutorial. Der Laie ist raus – jetzt geht es um die besten und stärksten Monster, die perfekte Taktik und das erfolgreiche Ausbrüten von Eiern. Ja, Sie haben richtig gelesen. Aus diesen Eiern schlüpfen seltene Pokémon, die beim späteren Kampf in einer der Arenen nützlich sind. Aber zurück zur Ausgangsfrage: Auch nach fünf Wochen hält der Hype um Pokémon Go weiter an.

Ein Drittel der Spieler ist über 35

Einer aktuellen Yougov-Umfrage zur Folge haben in Deutschland 7,7 Millionen Menschen die App heruntergeladen. Davon sind tatsächlich – und das ist enorm – 93 Prozent, also 7,1 Millionen, nach wie vor regelmäßig auf Monsterjagd.

Die Mehrheit der Nutzer ist, wie es zu erwarten war, in der jungen Altersklasse der 18-24jährigen angesiedelt. Aber:

Mehr als ein Drittel ist älter als 35 Jahre. Und damit sind die Spieler von Pokémon Go als potenzielle Zielgruppe aus Marketingsicht nicht so eingeschränkt wie vermutet.

Auch in diesem Bereich bringt das Marktforschungsinstitut interessante Aspekte auf den Tisch: Pokémon Go-Spieler geben demnach oft Geld für Mode aus, gönnen sich Dinge, die sie eigentlich nicht brauchen und gehen häufiger ins Kino als die Durchschnittsbevölkerung. Verständlich und sinnvoll also, dass das Fangen der kleinen Monster auch zukünftig für Marketingzwecke eingesetzt wird.

Marketing in der Praxis

Geschäfte, die mittels Lockmodulen Monster-Jäger in Richtung ihres Ladens lotsen oder spezielle Rabatte für aktive Spieler bieten, gibt es ja seit Wochen zuhauf. Zum Glück profitiert davon manchmal auch die gute Sache: So bekam die Blutspendestelle der Universität Greifswald nach eigenen Angaben starken Zulauf, nachdem bekannt wurde, dass während des Spendens problemlos Pokémons gefangen werden können. Als Steigerung heftete die Klinik dann während der Öffnungszeiten Lockmodule in den Wartebereich und die Spender kamen reichlich.

Auch viele Stadtmarketing-Agenturen haben das Potenzial des Spiels erkannt: Statt sich über Leute zu ärgern, die nur aufs Handy starren, entwickeln manche Städte ganze Touren für genau diese Gruppen. So gab es in Düsseldorf beispielsweise eine Fahrt mit einer historischen Stadtbahn, die in gemächlichem Tempo drei Stunden lang durch die Stadt kurvte und den Mitfahrern das Fangen von Monstern oder Plündern von PokéStops ermöglichte.

Der Marketingcoup von McDonald´s

Einen deutlichen Schritt weiter in Sachen Pokémon Go-Marketing geht McDonald’s: Zum Start des Spiels in Japan kaufte die Fast-Food-Kette für die fast 3.000 japanischen Filialen je einen PokéStop sowie 400 Arenen. Diese sogenannten Sponsored Places sind für viele Unternehmen natürlich hochgradig interessant und lukrativ. Bisher schaffte nur McDonald´s so einen Coup, aber sicher werden weitere folgen. Langsam wird deutlich, welche Größenordnung der Einsatz und Umfang von Marketing-Maßnahmen zukünftig wohl haben wird. Und das nicht nur auf Seite der werbenden Unternehmen, sondern auch für AppEntwickler Niantic. Dabei schaffte es das Spiel schon jetzt mit dem Eintrag „Die meisten Einnahmen, die ein Mobile-Game in einem Monat erzielt hat“ ins Guiness Buch der Rekorde…

Was wir uns jetzt merken sollten

Aber auch abseits von PokéStops in Geschäftsräumen und Rabatten aller Art gibt die App wichtige Hinweise auf Marketingentwicklungen für die Zukunft. Was stellen wir fest?

Vorbei die Zeiten, in denen die erfolgreichen Online-Games zuhause am Computer gespielt wurden und der besonders emsige Spieler tagelang kein Sonnenlicht sah. Pokémon Go findet draußen und unterwegs statt, trotzdem oder gerade deshalb ist es erfolgreich. Der rasante Anstieg der mobilen Nutzung hat hierbei den Weg bereitet. Die Scheu außerhalb des eigenen WLANs ins Internet zu gehen ist verschwunden. Für rund jeden vierten Internetuser ist die Nutzung von unterwegs unverzichtbar. Für kommende Kampagnen und Marketingmaßnahmen ein bedeutender Faktor.

Ein anderer wichtiger Aspekt sind die sogenannten In-App-Käufe. Um bei Pokémon Go weiter zu kommen, bedarf es Fleiß und Geduld – oder aber den Einsatz von Poké-Münzen. Kaufen kann sich der Spieler Poké-Bälle, mit denen er wirft, Rauch, der die Monster anzieht oder andere kleine Hilfsmittel. Sehr häufig werden LockModule gekauft, für die der Spieler 100 Poké-Münzen, umgerechnet 99 Cent, investieren muss.

In Deutschland geben rund 20 Prozent der Pokémon Go-Nutzer für das Weiterkommen im Spiel Geld aus.

Die Bereitschaft innerhalb einer App „reales“ Geld einzusetzen ist also da und hierauf können Entwickler und Marketer in Zukunft, auch für andere Zwecke, aufbauen.

Genauso verhält es sich mit der Technik der Augmented Reality – auch hier hat Pokémon Go den Weg geebnet. Das Miteinbeziehen der realen Umgebung in eine virtuelle Kampagne öffnet in der Werbung ganz neue Perspektiven. Der Kunde kann auf eine überraschende, spannende und vor allem interaktive Art und Weise mit einbezogen werden. Gute Kampagnen haben jetzt die Chance die Aufmerksamkeit und Neugier, aber eben auch die Erfahrung zu nutzen, die bei App-Usern vorhanden ist. Zwar ist das Prinzip der „erweiterten Realität“ nicht neu, aber Akzeptanz und Wissen sind bei den Nutzern durch Pokémon Go jetzt vorhanden – eine wichtige Hürde ist genommen.

Und was ist eigentlich mit dem Datenschutz? Als die App in die Stores kam, ging ein Aufschrei durch die Medien: Daten werden gesammelt, Laufwege mitgeschnitten und Profile gespeichert. Abgehalten hat es aber scheinbar die meisten dennoch nicht, das Spiel zu starten. Und so entsteht ein riesiger Fundus an neuen Informationen über Nutzer, wobei die geo-lokalisierten Daten wohl am interessantesten sein werden. Denkbar wäre für Unternehmen ein Ausrichten von Aktivitäten und Standorten an Punkten, an denen häufig und regelmäßig Nutzer vorbeikommen. Wenn die über Pokémon-Go gesammelten Informationen irgendwann verfügbar bzw. käuflich seien sollten.

Was bleibt nach dem Hype

Pokémon Go ist also nicht nur ein Spielehype, der uns überrollt hat und genauso schnell wieder verschwindet, wie er gekommen ist. Das Interesse ist ungebrochen. Und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass Spaß und Spiel wieder abebben – dann bleiben trotzdem die Erkenntnisse, die wir durch die App über Nutzungsverhalten und Interessen der Spieler gewinnen konnten. Und es bleiben die Nachwirkungen wie die Einführung von Augmented Realitiy oder die Bereitschaft von In-App-Käufen. Für Kreativagenturen und Marketingentscheider definitiv ein Zugewinn.

Author

Barbara Kawa
Barbara Kawa arbeitete zunächst in der Redaktion eines Radiosenders und studierte berufsbegleitend Medienkommunikation und Journalismus. Nach einer Auszeit von Job & Medien im italienischen Bologna, stand für sie anschließend fest, dass die Welt von Internet und Social Media ihr neues Zuhause sein sollte. Gesagt, getan. Seitdem arbeitet sie als Online-Redakteurin für die Webseiten verschiedener Lokalradios im schönen Westfalen. Zudem schreibt Barbara Kawa regelmäßig für Marketingblogs über digitale Themen und Trends. Als Social Media Managerin berät sie Unternehmen beim Einstieg in Sachen Facebook, Instagram & Co.