Ganzheitliche Kennzahlensteuerung im E-commerce
E-commerce boomt! Trotz einiger Konsolidierungserscheinungen wachsen die Umsatzzahlen und vor allem die Akzeptanz von Onlineshops bei den Kunden weiter weit überdurchschnittlich. Auf der anderen Seite bleibt aber die Ertragssituation vieler E-commerce Unternehmen hinter den Erwartungen zurück. Wachstumsorientierte PurePlayer wie Zalando verzichten zu Gunsten von Investitionen in Technologie und Online Marketing auf Gewinne. Multichannel-Händler, die aus dem stationären Handel kommen, experimentieren bei der Ausbalancierung ihres Geschäftsmodells und finden häufig genug noch keine Antwort auf die aggressiven PurePlayer und bleiben ebenfalls in den roten Zahlen.
In keinem der angesprochenen Fälle kann also darauf verzichtet werden, das Geschäft laufend zu analysieren, um es in die entscheidende Richtung zu steuern: zum Ertrag. Ein Unternehmen, das zwar seine Kunden, aber noch nicht einmal mittelfristig ein Äquivalent für den unternehmerischen Einsatz sowie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet, muss sich weiter verändern und profitabler werden.
Nun sind mangelnde Erträge im E-commerce keinesfalls auf unternehmerisches Unvermögen zurückzuführen: Die zunehmende Komplexität und Wettbewerbsintensität im E-commerce drückt Margen ganz erheblich und erschwert die Steuerungsaufgabe. Damit diese aber gelingt, ist es entscheidend, immer wieder zu den Kernfragen zurückzukommen: Wie effizient ist mein Online Marketing? Wie gut verkauft mein Onlineshop?
Diese Kernfrage des E-commerce Managements besitzt aufgrund der Vielzahl der relevanten Erfolgsfaktoren einiges Mehr an Komplexität als eine eher statische Vermarktung im stationären Handel mit Hilfe analoger Medien. Online Marketing im E-commerce bedeutet dagegen, sowohl Kennzahlen der klassischen Kosten- und Leistungsrechnung wie etwa die Deckungsbeitragsmarge mit Online Marketing Kennzahlen zu verknüpfen. Mit anderen Worten: die höchste Marge ist uninteressant, wenn das Online Marketing überdurchschnittlich aufwändig ist. Umgekehrt können geringe Margen hingenommen werden, wenn die Vermarktung online besonders effizient erfolgt. Erst mit E-commerce und Online Marketing können diese beiden Säulen der Vermarktung verknüpft werden, denn erst seit Entstehung des Onlinechannels ist es möglich, Kundenreaktionen auf Marketing präzise zu messen und damit die Effizienz des Marketings genau zu bestimmen.
Der E-commerce Code als Kennzahlenmodell
Die Frage der Effizienz des Online Marketings im E-commerce lässt sich mit einem einfachen Kennzahlenmodel beantworten, das ich als „E-commerce Code“ bezeichne. Das Modell verbindet Kennzahlen der Kosten- und Leistungsrechnung mit Key-Performance-Indicators (KPI) aus dem Online Marketing und ermöglicht auf diese Weise eine ganzheitliche Steuerung des E-commerce Business und vor allem eine Fokussierung auf die zentralen Herausforderungen.
Ausgangspunkt ist der Mindestertrag, den ein Onlineshop erwirtschaften muss. Gehen wir von Wirtschaftlichkeit, also Kostendeckung, als Mindestziel aus, dann muss der erzielte Deckungsbeitrag die Gemeinkosten decken.
DB = GK
Die Gemeinkosten sind in der Regel kurzfristig fix, so dass der Deckungsbeitrag die zentrale Steuerungsgröße ist. Der Deckungsbeitrag als die primäre Ertragsgröße eines Unternehmens gibt nun Auskunft, ob ein Geschäftsfeld oder die Vermarktung überhaupt in die Nähe der Profitabilität kommen kann. Der Deckungsbeitrag bestimmt sich aus dem Umsatz für ein Produkt abzüglich der direkten Kosten:
DB = Umsatz – direkte Kosten
Wird der Umsatz online erzielt, ist er in der Regel Ergebnis erfolgreichen Online Marketings, das typischer Weise
- aus vielen Impressions wenige Visits und
- aus wenigen Visits noch weniger Conversions
macht. Der Warenkorb als Maßzahl für den wertmäßigen Umfang jeder Bestellung gibt schließlich die Zahlungsbereitschaft für Artikel aus dem Onlineshop an. Insgesamt lässt sich der Umsatz wie folgt mit Online Marketing Kennzahlen abbilden:
Umsatz = Impressions x CTR x CR x WK.
Dabei gibt die Click-Through-Rate (CTR) die Klickhäufigkeit bei einer Anzeige oder Einblendung (Impression) wieder und die Conversion Rate (CR), mit welchem Anteil aus den Seitenbesuchern auch Käufer werden. Den Umfang eines Kaufs bestimmt der Warenkorb (WK). Der Ausdruck „Impressions x CTR“ gibt die Zahl der Seitenbesuche oder Visits an, nimmt man als Faktor noch die Conversion Rate hinzu, erhält man mit „Impressions x CTR x CR“ die Anzahl der erreichten Conversions.
Um nun schließlich noch die direkten Kosten zu bestimmen, müssen die Kosten für den Wareneinsatz (WE) bekannt sein. Weiter gehören zu den direkten Kosten einer erfolgreichen Onlinevermarktung die direkten Marketingkosten, also solche, die sich aufgrund einer spezifischen Kampagne unmittelbar einer Produktkategorie oder einem Produkt zuordnen lassen. Diese Kosten ergeben sich aus den akquirierten Seitenbesuchern und den Kontakt- oder Klickkosten je Besucher. Diese werden üblicherweise als Cost-per-Click (CPC) bezeichnet. Da Klickkosten in der Suchmaschinenwerbung Marktpreise sind, kann der CPC auch als allgemeiner Kontaktkostensatz eingesetzt werden. Also ergeben sich als
Direkte Kosten = Kosten Wareneinsatz + direkte Online Marketing-Kosten
Direkte Kosten = Bestellmenge x Wareneinsatz + Visits x Konktaktkostensatz, dh.
Direkte Kosten = Impressions x CTR x CR x WE + Impressions x CTR x CPC
Daraus lässt sich nun der Deckungsbeitrag zusammensetzen und durch Umstellung zu einer handlichen Formel umbauen:
DB = Impressions x CTR x (CR x (WK – WE) – CPC).
Ein Zahlenbeispiel, bei dem zur Vereinfachung Versandkosten und Retouren ausgeklammert werden, zeigt die Zusammenhänge:
- Impressions = 100.000
- CTR = 15%
- CR = 5%
- WK = 80 €
- WE = 45% x WK
- CPC = 0,75 €.
In diesem Beispiel resultieren aus den angenommenen Werten
- 15.000 Visits
- 750 Conversions
- 60.000 € Umsatz
- 27.000 € Wareneinsatz
- 11.250 € direkte Marketingkosten,
also insgesamt ein Deckungsbeitrag von
DB = 100.000 x 15% x (5% x (80€ x (1- 45 %) – 0,75€) = 15.000 x 1,45 € = 21.750 €
Daraus ergeben sich eine Marketingquote von 18,75% und eine Deckungsbeitragsmarge von 36,25 %. Bei unterstellter Wirtschaftlichkeit sind also Gemeinkosten in Höhe von 21.750 € für diese Periode gedeckt.
Wirtschaftlichkeit bedeutet aber nicht Profitabilität und daher dürfte sich auch hier die lohnenswerte Frage stellen, wie der Ertragssituation des operativen Geschäfts verbessert werden kann. Diese wird vor allem dadurch belastet, dass Kontaktkosten bei jedem Besucher anfallen, während nur jeder 20. Besucher tatsächlich eine Bestellung tätigt. Diese Dysbalance macht die Conversion Rate zu einer der effektivsten Kennziffer im Online Marketing, wie folgende Tabelle zeigt:
In dieser Ceteris-Paribus-Analyse werden die Leistungskennzahlen CTR, CR und Warenkorb alle um 10% erhöht, der CPC entsprechend um 10 % reduziert, alle anderen Kennzahlen bleiben konstant. Die Wirkung auf den Deckungsbeitrag ist bei der Erhöhung des Warenkorbs und der Erhöhung der Conversion Rate am höchsten.
Die Erhöhung des Warenkorbs kann in dieser Ceteris Paribus-Analyse etwa durch Maßnahmen der Produktpolitik erreicht werden, aber auch durch Optimierung des Onlineshops, etwa z.B. durch Upselling oder Crossselling. Auch die Conversion Rate kann durch Erhöhung der Attraktitivät der Produkte und Verbesserung der Usability und der User Experience, also der Attraktivität des Shops erhöht werden. Werden diese Faktoren der Shopgestaltung verbessert, reduziert sich die Absprungrate und die Abbruchquote im Checkout, gleichzeitig verlängert sich die Verweildauer auf einzelnen Landingpages, die effektiver zum Warenkorb und zum Checkout führen.
Da die Conversion Rate aber eine zusammengesetzte Kennziffer ist, führen mindestens zwei Wege zum Ziel. Neben den produkt- und shopbezogenen Maßnahmen kann die Conversion Rate auch durch klassische Online Marketing Maßnahmen erreicht werden. Der Schlüssel für diese Maßnahmen ist die Conversion-Relevanz der Visits. Je passender Keywords bei Suchmaschinenoptimierung und –werbung gewählt werden, umso größer wird die Bestellwahrscheinlichkeit, also die Conversion Rate.
Irrelevante Keywords sollten vor allem im Performance Marketing ausgeschlossen werden, da hier unmittelbar Effizienzgewinne möglich sind. Auch wenn es immer wieder verlockend ist –und Adwords unterstützt die Verlockung mit immer neuen Keywordvorschlägen („Werbechancen“) – großflächig ein Thema mit Keywords abzudecken, sollte doch bei jedem einzelnen der Kontext zur Conversion geprüft werden. Aber auch in der Suchmaschinenoptimierung sollte der Conversionbezug hergestellt werden. Fatal wäre eine Prämisse, Suchmaschinenoptimierung sei kostenlos, daher könnten irrelevante Keywords großzügiger eingesetzt werden. Da Google Adwords Marktpreise sind, ist Suchmaschinenoptimierung ähnlich aufwändig sein wie Suchmaschinenmarketing. Auf irrelevante Keywords optimierter Content ist also ähnlich teuer wie irrelevante Adwords.
Fazit
Die Analyse hat gezeigt, dass im E-commerce Kosten- und Leistungsaspekte und Online Marketing durch geeignete Kennzahlen verknüpft werden können, so dass mit dem „E-commerce Code“ ein ganzheitliches und robustes Kennzahlenmodell verwendet werden kann. Der „E-commerce Code“ kann mit aggregierten Größen für das ganze Unternehmen, aber auch mit segmentierten Erfolgs- und Steuerrechung auf Sparten-, Kategorie- oder Produktebene bestimmt werden. Die Herausforderung bleibt auf allen Ebenen gleich: Alle Potenziale zur Ertragssteigerung zu nutzen, sowohl bei den Kosten- und Leistungswerten als auch im Online-Marketing und im Onlineshop.